Skipper und Boot

Seit 1989 besitze ich nun meine Waarschip 725 und habe zahlreiche Törns auf Nord- und Ostsee zurückgelegt. An der Elbe in Hamburg zuhause, begann meine Seglerkarriere auf einem Jugendwanderkutter. Danach war ich viele Jahre mit einer schönen Elb-H-Jolle unterwegs. Ich habe das Segelhandwerk sozusagen von klein auf gelernt, mit allem Blödsinn und Fehlern, die man so machen kann. Letztendlich war das aber eine grundsolide Ausbildung mit dem Schwerpunkt auf Erfahrungen.

Die Begeisterung für das Segeln mit Holzbooten, die man im Winter auch pflegen ‚durfte‘, habe ich nie verloren und der Umstieg auf eine Waarschip-725 lag nahe. Die klassischen Linien einer Waarschip-725 konnte ich vor allem in Holland bewundern und so stand die Entscheidung schnell fest.

Seitdem ich erstmals 2003 auf längerer Fahrt nach Norwegen war, hat mich das Reisen mit kleinem Boot nie losgelassen. Im Jahre 2015 machte ich einhand einen ‚Trainingsschlag‘ rund Dänemark, sozusagen als Übung für weitere Törns. Und ich war positiv überrascht, wie gut das geht. Ich brauche kein größeres Boot.

 10 Gründe, die mich veranlassen, die Leinen loszuschmeißen und hinaus zu segeln.

Ich möchte die Kräfte spüren, die ein Boot nach Lee drücken und es antreiben. Es verschafft mir ein Glücksgefühl, mit Leinen und Streckern die Segelstellung zu optimieren. Es ist ein äußerst befriedigendes Gefühl, wenn am Ende das Wasser schneller an der Bordwand entlang streicht und sich gurgelnd im Kielwasser vereint. Ja, hier spricht auch der Jollen- und Regattasegler aus mir.

Ich genieße es, die Stille auf dem Meer zu hören. Damit meine ich nicht Lautlosigkeit, sondern die Abwesenheit der Hektik und des Lärms an Land. Nur einige wenige Geräusche bleiben übrig: das Brechen von Wellenkämmen und das Rauschen der Bugwelle. Das Geräusch des Windes in den Wanten und das Knarren der Leinen.

Ich finde es sehr angenehm, die permanente Bewegung einer Dünung zu spüren und mich Wind und Wellen auszusetzen. Mal ist es ruppig, mal ist es sanft, immer aber geht es hoch und runter, hin und her.

Das verlangt auch immer wieder, Respekt vor diesen Naturgewalten nicht zu verlieren, Demut und Geduld zu lernen. Letztendlich ist die Natur stärker, nicht jeder Plan ist durchzuführen, nicht jede Strecke zu besegeln. Warten auf bessere Bedingungen ist eine Qualität, die ich erst wieder erfahren musste. Langsamkeit wird zu einer Tugend.

Dafür entwickelt sich ein anders Zeitempfinden, es gibt keine Termine, die eingehalten werden müssen, es gibt kein Fertig-sein-müssen mehr, es gibt kein Erreichen-müssen mehr. Leistung definiert sich beim Segeln anders. Schön, wenn ich mir öfters die Frage stellen kann, welcher Tag denn heute ist.

Und natürlich sind da noch der Geschmack und der Geruch des Salzwassers, das prickelnde Gefühl auf der Haut. Es ist intensiver, je weiter ich nach Westen Richtung Atlantik komme.

Und die wärmenden Sonnenstrahlen beim Sonnenaufgang oder nach dem Durchgang einer Regenfront sind immer wieder aufbauende Erlebnisse.

Ich stelle mich den Herausforderungen, mit guter Navigation und guter Wetterkunde auch schwierige Reviere zu befahren. Am Ende klopfe ich mir selbst auf die Schulter, so etwas geschafft zu haben.

Spannend sind vor allem die Erfahrungen in anderen Regionen und Ländern. Ich bekomme ein viel intensiveres Gefühl für die Andersartigkeiten, als wenn ich nur einen kurzen Urlaubstrip in die Länder mache. Ich kann mich intensiver mit Menschen beschäftigen und man trifft unterwegs wirklich interessante Menschen. Sprachliche Verständigung ist dabei zweitrangig, Neugier überwindet alle Hemmnisse.

Am Ende, wenn sich alles eingestellt hat, ist das Boot zu einem neuen Zuhause geworden. Mehr brauche ich nicht!

Was ich nicht gefunden habe, ist Abenteuer und Freiheit. Es gab höchstens abenteuerliche Situation, die ich nicht nochmal erleben möchte. Die einzige Entscheidungsfreiheit, die ich habe, ist hinaus zu fahren, dann aber bestimmen Wind, Wellen, Strömung und Wetter mich. Und die viel gepriesene Entspannung als Kontrastprogramm zum heutigem beruflichen Alltag oder dem hektischen Leben in der modernen Gesellschafft? Die Zeitabläufe sind anders, die Aufgaben sind anders, die Anforderungen sind andere, das mag eine andere Lebensqualität ergeben. Doch traf ich auch Leute, die sich darauf gar nicht einlassen konnten und ihren Törn minutiös geplant haben.

Ich habe den Titel „Waarschip 725 auf langer Fahrt“ bewusst in Abgrenzung zu Langfahrten gewählt, wird doch mit Letzterem verbunden, mindestens über den Atlantik zu segeln. Ich bin aber schon auf längeren Törns, also mehr als Urlaubsfahrten. Länger bezieht sich sowohl auf die Strecke, aber auch auf die Dauer. Als einen witzigen Versuch, Langfahrt oder längere Fahrt zu definieren, habe ich einmal in einem Forum die Antwort gefunden: Man ist auf langer Fahrt, wenn es einen persönlich verändert. Oder drastisch ausgedrückt: Irgendwann hat man mit lockeren Schrauben zu kämpfen, sowohl die am Boot wie die im Kopf. Die am Boot kann man festziehen, aber dass man komisch wird, kann man nicht verhindern. Viele, die lange unterwegs waren, finden selten in den ’normalen‘ Alltag an Land zurück.

Januar 2017